Der Hund des Scheichs

WADI RUM

ANKUNFT IM WILDEN WESTEN, ÄHM OSTEN....

Für meine kleine Erholungsreise nach einem gesundheitlich eher anstrengend-aufregenden Jahr, hatte ich mir was mit Wüste, Weite und Ruhe gewünscht. Gewünscht, getan.
Angekommen in dieser Landschaft Jordaniens sieht es hier aus wie in einem 1A-Western-Klassiker, überall steigen meterhohe, bizarr geformte Sandsteinberge und Granitfelsen in die Höhe, nur statt Pferden gibt es Kamele, und die Cowboys sind hier in langen Gewändern, Sandalen und Kopftuch unterwegs. Die jordanische Wüste Wadi Rum geht auf 30 Millionen Jahren Entstehungsgeschichte zurück. Die Urgroßmutter unter den Wüsten. »Weitläufig, einsam und gottähnlich« sagte schon dieser Lawrence von Arabien. Wow. Erfürchtig tippel ich auf dem ziemlich alten Sand ein wenig von rechts nach links und wieder zurück.
Ich hatte mir eine 5-tägige Trekkingtour mit mobilem Zelt, ortskundigem Guide und talentiertem Hobbykoch gebucht. Mein Kompromiss zu dieser gesundheitlich eigentlich noch zu anstrengenden Tour.

Wilder Westen oder doch Mars?

Am Tor zu Wadi Rum, an den sieben Säulen der Weisheit, geht es dann los. Dort treffe ich auch auf unser Wüstenteam. Drei lässig gekleidete Männer in Pulli, Jeans und Flipflops, die mir zur Begrüßung entgegenwinken, »Marhabaan! Hiiiiii!« …da sind wir also… aber dann: Wer ist das? Aus dem Jeep steigt einer der Jacksons aus – und steht da, regungslos vor der windenden Westernkulisse, sein schwarzgefärbtes Haar sitzt bombenfest, sein Gewand ist tadellos im Gegensatz zu unseren jetzt schon sandverfärbten Hosen und sonnencremebefleckten Hemden.
»Sunshine
Moonlight
Good times
Booooogie«
…summt es in meinem Kopf und wird von unserem Guide unterbrochen: Auf den Jacksonbruder zeigend, verkündet er, dass der Scheich von Wadi Rum gerade Lust auf eine kleine Wüstentour habe und die Tage mit uns verbringen möchte. Welcome! Der Scheich zuckt kurz mit der Oberlippe die einen polierten Goldzahn hervorblitzen lässt. Blinnnng. Okay, keiner der Jackson Five, aber der Scheich ist hier dennoch so etwas wie der Popstar unter den Beduinen. Immer wieder kommen auf unserer Tour einige »Stammesmitglieder« vorbei und begrüßen ihre Majestät, den Scheich.von.very.amazing.Wadi.Rum.

WÜSTENPOPSTAR

… Betritt er die Bühne, guckt man hin. Der Scheich wirkt mit seinem akkuraten Bart, der Pilotenbrille, dem graublauen, knöchellangem Gewand und dem rot-weißen Kopftuch wie eine Kunstfigur inmitten der kargen Wüste. Man schenkt ihm pausenlos Tee ein, begrüßt ihn mit einem Kuss auf die Stirn, fällt ihm nicht ins Wort und auch auf der Jeepfahrt die wir abends unternehmen heißt es, bloß nicht schneller fahren als der Scheich! Mein hitziger Fahrer riskiert es dann aber doch und ich feuere ihn hinten auf dem Lader stehend lauthals und wild gestikulierend an und werde dann direkt mit einer Reifendurchdreh-Ladung voll Sand vom Scheich zurechtgewiesen. Ja, doch, ‘schuldigung.
 
(Ganz nebenbei gerieten wir in einen beeindruckenden Wüstensturm, der alles um uns herum rot-orange färbte und den Sand bis in jede Ritze fegte.)

Ja, manchmal bin ich etwas kitschig

… Wer was will, Besitz, Land, Frauen, Tee oder Schokolade, muss den Scheich um Erlaubnis fragen. Der nickt ab. Oder straft. In meiner Trekkinggruppe sind zwei Männer und fünf Mädels, den Scheich den freut’s. Er ist auf Frauensuche flüstert uns unser Guide beim abendlichen Lagerfeuer zu, woraufhin mir aus der Dunkelheit ein Goldzahn zublitzt.

Wüstencamps

An den Trekkingtagen wandert der Scheich nicht mit uns mit, ein Scheich wandert nicht, ein Scheich wird gefahren. Wir erreichen jeden Abend völlig erschöpft unser Camp und fallen müde auf unsere Schaumstoffmatratzen. Der Scheich sitzt in einem auf seinem Teppich platzierten Polsterstuhl, tupft sich die Stirn mit einem rosaroten Handtuch und lässt sich Tee reichen. Hartes Leben, denk ich, so langsam ins kalte Zelt kriechend, aber so hab ich es gewählt. Betten tut der Scheich sich in einem extra aus Dubai eingeflogenen Luxusschlafsack. Kingsize natürlich – mit integrierter Memoryschaummatratze und schönem Licht. Sein Gewand hat er zum Nächtigen gegen ein legeres, schwarzes T-Shirt mit vertikaler Aufschrift »YES!« getauscht. Ein Scheich ist vorbereitet.

Aus rechtlichen Gründen ist das Veröffentlichen eines Fotos vom Scheich leider nicht möglich. Ich kann es mir schlicht nicht leisten. Ich hab euch aber eine originalgetreue Zeichnung gemacht:

Scheich_Zeichnung

MAX

Am zweiten Tag unserer Trekkingtour passieren wir gerade einen Kamelbahnhof als plötzlich eine Hündin mit uns mitläuft. Die kleine Flohschleuder entpuppt sich als ziemlich clevere Begleiterin. Jeder Erkundungs- oder heimlich geplante Toilettengang, selbst in der Nacht, wird genauestens beobachtet und kontrolliert. Bei jedem Spaziergang ums Camp herum wird treu begleitet und wer sich zu weit entfernt, wird gnadenlos zusammengekläfft. Als ich einmal nachts kurz hinter einem Felsen verschwinde und dann wieder zurückgehen möchte, sitzt sie plötzlich mich aufmerksam anschauend da. Ich erschrecke mich natürlich direkt vor dem Secret Service, vermutete ich dort eine haarige Spinne oder riesige Schlange liegend.
 
Die Hündin passte auf wo sie nur konnte, und das tut sie ziemlich gut. Ich war beeindruckt.
Das ist Max!
Secret Service
Der Scheich nennt sie Max, vielleicht von Mad Max, nun gut, daran gibt’s auch nichts mehr zu rütteln. Ich wage besser keine Änderungsvorschläge. Die schlaue Hündin hat ihr Rudel offensichtlich gefunden und in ihr großes Hundeherz geschlossen und wir sie in unseres. Ich verdränge den Gedanken an den Moment, wenn wir am Ende unserer Tour in unsere Jeeps steigen und Max vermutlich… tja, was machen wir dann eigentlich? Sie zurücklassen?!? :-( Zum Glück scheint aber auch der Scheich ein Auge auf die hübsche Max geworfen zu haben, teilt sein Wasser mit ihr und vergräbt Essen, für schlechte Zeiten. Das lässt die Karmapunkte des Scheichs natürlich ins Unermessliche steigen. Tagsüber läuft Max mit uns mit, während der Scheich es sich im Camp schon mal bequem macht. Immer wieder erkundigt er sich auf unseren Touren nach Max’s Wohlbefinden, via Handy, ein /Achtung Werbung/ Nokia 3310. Das funktioniert hier draußen, fern der Zivilisation.
Am dritten Tag brennt MAD Max plötzlich in der weiten-weiten Wüste durch und jagt einem ausgebüchstem Kamel hinterher, welches zu weit die Herde verlassen hat. Guter Hund. Unser Guide Achmet gerät daraufhin in ziemlich beeindruckende Panik, so dass wir uns gar nicht ausmalen wollen was wohl mit ihm passieren wird, würde er heute Abend ohne die Hündin ins Camp zurückkehren. Kurzerhand werden wir alle dazu verdonnert Max zu suchen. Na klar, seufz, kein Problem… Düne hoch, Düne runter, rufen, pfeifen, schwitzen, hören, gucken… noch mal rufen und weiter schwitzen. Nie wurde hier für eine Frau mehr Aufwand betrieben als heute.

Links: Düne hoch, Düne runter

Rechts: Mittagspause. (Nicht zum Nachahmen geeignet, evtl. pausieren hier auch Skorpione!)

Ich hab Spaß. Wirklich.
Max findet nach ihrer kurzen Spritztour aber wieder zu uns zurück – pure Erleichterung bei Achmet… und bei uns. Nach der Anstrengung teile ich mein letztes Wasser mit Max… und muss dann noch etliche Kilometer in der Hitze zu unserem Camp laufen… Was tut man nicht alles um den Hund bei Stimmung zu halten. Und den Scheich.

Uns ist warm

UND WAS WURDE AUS DER FRAUENSUCHE?

Nun ja, auch wenn letztendlich keine von uns Frauen beim Scheich blieb, verliebte er sich unsterblich in unsere treue, tierische Begleiterin. Am Ende der Tour wurde Max in den Jeep seiner Majestät gehievt, beim Tierarzt entlaust und shampooniert… und mit Hühnchen vollgestopft. Ich denke Max liegt jetzt in einem Kingsizekörbchen mit integrierter Matratze und rosa Kissen und lässt sich den Bauch kraulen. Sie ist jetzt die Hündin des Scheichs.von.very.amazing.Wadi.Rum.
 
»I never can say goodbye girl
Ooh ooh baby
I never can say goodbye, no no no, no no no«
(The Jackson Five)
 
Ende gut alles gut.
Da geht sie. Mach's gut Max!

OUTTAKES

»Ach schau mal, das sind ja lustige Reifenspuren dachte ich in der Wüste noch. Erst zu Hause beim Betrachten der Bilder wurde mir klar: Natürlich handelt es sich hier um keine Reifenspuren eines außerirdischen Fahrobjekts, sondern um die frische Spuren einer Schlange.
Wirklich von Angesicht zu Angesicht begegnet bin ich aber keiner, auch die Sorge darüber ist eigentlich nach wenigen Minuten in der Wüste verpufft. Wenn man sich mal etwas zurückzieht um die wundervolle Stille der Wüste zu genießen, kreucht und fleucht es auf dem Wüstenboden zwar ziemlich schnell, aber sobald man einen zaghaften Schritt darauf zugeht, ist alles und jeder auch genauso schnell wieder unter irgendeinem Stein verschwunden. Dort halten sich übrigens auch laut Guide Achmet die allerallermeisten Lebewesen der Wüste auf – also eher Obacht beim Aufheben eines Steins, z.Bsp. um ein Zelt windfest zu machen.

HOW TO SURVIVE

Wadi Rum

… auch ohne Security-Hund

  • Eine Wüstentour nicht nach den Mondphasen zu planen, war wirklich (m)ein Anfängerfehler par excellence! Ja, ernsthaft. Schon in der ersten einbrechenden Nacht traute ich meinen Augen nicht: Es war Vollmond! Geplant waren eigentlich vier Tage Planetarium in allerbester Full HD-Auflösung – in live. Daraus wurde nichts. Gerade mal der Polarstern und drei-vier andere Sterne waren zu erkennen. Demnächst werde ich bei meinen Reisen also nicht nur geeignete Saison, Dienstplan und sonstige Voraussetzungen checken, sondern auch einen Blick in den Mondphasenkalender werfen. Sicher ist sicher. Sternenhimmel in der Wüste sind einmalig (so erzählte man mir), es lohnt sich also wirklich eine geplante Tour in der Wüste dementsprechend zeitlich anzupassen, sofern man flexibel ist. Vorteil am Vollmond ist aber natürlich, dass die Wüste hell beleuchtet wird und man nachts keine Angst haben muss versehentlich auf eine Schlange zu treten. ;-)

  • Ich war im November dort. Nachts wird es kühler, aber nicht so kalt, dass man, so wie ich es tat, einen Komfort -10 Grad Daunenschlafsack mitnehmen muss. Ein Dreijahreszeiten-Schlafsack reicht.

  • Wüstengamaschen die den Sand aus den Schuhen halten, retten Nerven. Dann muss man als Ersatz auch nicht mit runtergelassenen Hosenbeinen rumlaufen. -.-

  • Bereits am späten Morgen kann die Sonne gnadenlos brennen und der Wüstensand reflektiert die Hitze auch noch schön zurück ins Gesicht, Hitze von allen Seiten, oben und unten, wie eine Bodenheizung auf voller Leistung. Bei mir schaltet sich das Betriebssystem ab 20 Grad plus ja langsam runter, aber mir helfen eine Kopfbedeckung und Elektrolyte (Z.Bsp. aus dem Sportgeschäft oder dem Outdoorladen meines Vertrauens) um nicht direkt in Ohnmacht zu fallen.

  • Genießt die Stille der Wüste, sie ist so besonders.

Lust weiterzulesen?

Über meine Wanderung rund um die imposante Felsenstadt Petra berichte ich in diesem Blogbeitrag.
Meine erste Wanderung in Jordanien ging in das Naturreservat Dana… wieso ich darauf nicht wirklich gut vorbereitet war, lest ihr in dem Beitrag.

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