Der Weg nach Petra

Petra Teil I

Was auch Indiana Jones nicht wusste ...

Als Kind war ich ja wirklich mal großer Fan der Indiana Jones Filme. Lange wollte ich sowas wie Grabungstechnik oder Archäologie studieren – tat es jedoch nie. Ich bin kein Typ für Reue oder derartige, eher unnütze Gefühle, aber könnte ich noch mal wählen… nun ja, ich würde mich wohl bei Dr. Henry Walton Jones Jr. um einen Praktikumsplatz bemühen. Dass ich in Jordanien auch die antike, einst verloren geglaubte Felsenstadt Petra besuchen werde, stand daher recht schnell fest. Vielleicht entdecke ich ja was, das ich ausgraben kann.

Wenn ich aber schon touristisch belastete (oder gesegnete) Orte besuche, versuche ich das so untouristisch wie möglich zu gestalten. Ein Blick auf die Karte verriet, dass es eine Menge Wanderwege im Bergland von Petra gibt. Da dieses Bergland aber nicht vollkommen für den Tourismus geöffnet ist, richtiger gesagt, es etwas kompliziert werden kann, dort nachts einfach sein Zelt aufzuschlagen, engagierte ich in Wadi Musa angekommen, kurzerhand einen ziemlich gechillten Beduinen mit ortskundigem Muli. Beide sollten mich durch das Bergland von Edom bis zum Khazne al-Firaun, der Schatzkammer in Petra bringen. Also dorthin wo Indiana Jones den Heiligen Gral fand, bevor er alles in Schutt und Asche legte. Volle zweieinhalb Tage brauchten wir für diese Wanderung. Das geht natürlich auch schneller, aber das wollte ich ja gar nicht. In der Ruhe liegt die Kraft.

Auf dieser Tour lernte ich auch die sympathische Namensschwester Rebecca kennen. Ich mag Wanderbekanntschaften ja. Gemeinsam überstanden wir die abenteuerlichen Streifzüge durch Wüsten- und Berglandschaften, erlebten Sandstürme, begegneten Skorpionen und riesigen Schlangen, trafen Ritter, Forscher und Archäologen, entdeckten geheime Schriften, Kelche und rätselhafte Kristallschädel, stellten uns gefährlichen Prüfungen, bei denen wir fast in den Tod stürzten, fanden den heiligen Gral der uns ewige Jugend verlieh und natürlich… oh, entschuldigt, ich bin kurz etwas abgeschweift. Jedenfalls spätestens nach unserer gemeinsamen Wanderung nach Petra, war Rebecca durch mich zwangsläufig auch zum Indy-Fan gepolt worden.

Daada-daddaaa-dadaadaaa. (Indiana J.-Titelmelodie)

Aber von vorn!

Das wilde Leben auf dem Trail. Wüstenkiosk, Rebecca & Rebecca, Schlafzimmersaubermachen

IRGENDWO IM NIRGENDWO

Die Tour beginnt dann tatsächlich am Eingang von Petra. Etwas absurd angesichts dessen, dass der Guide doch sagte, dass wir nun viele, viele Kilometer laufen müssen, ehe wir in Petra ankommen werden. Aber ich will mal nicht kleinlich sein. Das Muli, welches Susi heißt, setzt sich langsam in Bewegung und so trotten wir gemeinsam los. Wir folgen ein paar hundert Metern der Piste Richtung Schatzkammer. Kurz vor dem Zugang zum Siq biegen wir dann aber ab und verlassen die Menschenmassen, durchqueren einen breiten Graben der links von uns liegt, wandern entlang des Al Madras Trails, kämpfen uns durch mehrere widerspenstige Büsche, klettern über ein paar Felsen, Susi ebenfalls, schleichen entlang einiger Geheimgänge, die sicherlich nicht mal Indiana kannte (der ganz unter uns gesagt, ja nur etwas lame mit seinem Pferd durch den Siq ritt um zur Schatzkammer zu kommen) und stehen plötzlich in einer menschenleeren, ruhigen Felswüste. Yesss! Möge das Abenteuer beginnen!
Susi hat Lernpause

Die schöne Landschaft Jordaniens

Von einem markierten Wanderweg keine Spur mehr. Egal, ich hab‘ ja ein ortskundiges Muli dabei. »Susi is learning the trail. Is new one for her!« (»Susi lernt den Trail noch. Ist neu für sie!«) kichert der Guide und zieht an einem verdächtig riechenden Glimmstängel während er versucht Susi zum Weitergehen zu animieren… derweil hoffen Rebecca und ich, in der weiten, weiten Bergwelt Petras nicht verloren zu gehen. »Ähm ja, take your time!«(»Hilfe!«)
Berge, Felsen, Steine, Geröll, Kiesel. Alles was das Gesteinsherz begehrt

Susi mit Guide

Was dann aber in den nächsten Stunden bei knappen 2,5 kmh an uns vorbeizieht, lässt auch den letzten Funken Zweifel schnell vergessen. »Flach und sandig« , so hatte ich mir Jordanien vorgestellt, aber Jordanien kann auch Berge. Und was für welche! Eine richtig doll beeindruckende Bergwelt legt sich uns dar, so weit, so karg und doch so farbenreich und schön. Bunte Steine, Rot, Orange, Ockergelb, Quietschgelb und Braun, Felsbrocken, Felstrümmer, Gesteine, Gesteinsstücke, zerklüftete Schluchten, steil abfallende Felswände und Klippen, knubbelige und zackige Bergsilhouetten, Geröll, noch mehr Steine, Bergkuppen, Bergkegel, alles was die Bergwelt so zu bieten hat, wurde hier in Jordanien aufgefahren. Eine Mischung aus einer Landschaft wie man sie im Südwesten der USA vermuten würde und einer Weite wie in der Mongolei. Anders. Besonders. Ich bin total aus dem Häuschen.

Sind DAS nicht schöne Steine?

Da! Indiana! Bestimmt!

DIE HINTERTÜR NACH PETRA

Susi, unser kichernder Guide, Rebecca und ich traben gemütlichen Schrittes immer weiter und weiter… gemach, gemach. Teils gut, teils weniger gut ausgebaute Pfade leiten uns direkt an einer Felswand entlang. Immer wieder führen ein paar Steinstufen mal hoch, mal wieder ein Stück runter, auch einen ausgesetzten Teil des Weges müssen wir passieren. Ein bisschen höhenfest sollte man also schon sein um »Die Hintertür zu Petra« begehen zu können. (Übrigens hab ich ja wirklich recht große Höhenangst. Beim Anblick faszinierender Landschaft ist die Höhenangst aber meist wie weggepustet.)

Nach dem Aufstieg gelangen wir auf ein Felsplateau mit spektakulärer Aussicht auf die Berglandschaft. Hier finden wir eine Art Wüstenkiosk, mitten im Nirgendwo. Es gibt sogar bunte Klappstühle, ein paar bunte Teppiche und paar bunte Polstermöbel zum Sitzen. Teepause für uns. Wasserpause für Susi. Wir genießen eine Zeit lang den Blick weit ins sogenannte Wadi Araba. Das Wadi Araba ist die Fortsetzung des Jordangrabens, hier verläuft auch die Grenze zwischen Jordanien und Israel. Um auch mal was Intelligentes über diese Wanderung zu sagen.

Bild 1: Die Hintertür nach Petra

Bild 2: Berge so weit das Auge reicht

Ein Blick gen Westen ins Wadi Araba

Nach der Teepause ist es schon spät und wir müssen noch runter vom Berg, um einen Platz für unsere Zelte zu finden. Aber Susi hat bereits einen Plan und setzt sich in Gang und wir mit ihr. Nach gut zwei weiteren Stunden Fußmarsch erreichen wir eine Schlucht. Windgeschützt und ruhig. Das mag das Muli.
Ich staune dann übrigens nicht schlecht, als unser mittlerweile sehr müde aussehende Guide eine Art Campingmatratze aus der kleinen Seitentasche von Susis Gepäck zieht, sich auf den noch warmen Wüstenboden legt und augenblicklich  einschläft. »Good Night!«

Da wir nach dem anfänglichen Al Madras Trail querfeldein gewandert und nur blind unserem Muli gefolgt sind, ist es mir im Nachhinein fast unmöglich die Route detailliert nachzuvollziehen und herauszufinden, wo wir in den Nächten unser Zelt aufgeschlagen haben… nun ja, irgendwo in der weiten-weiten Bergwelt Jordaniens halt. Eigentlich ist es ja auch mal ganz schön, sich einfach treiben zu lassen – dennoch beschließe ich irgendwo im glühend heißen Nirgendwo, mich zu Hause mal mit diesen neumodernen Tracking-Apps zu beschäftigen.
 

Die Nächt verlaufen recht unspektakulär – bis auf die Nacht in der unser Zelt wegen eines plötzlich einsetzenden Orkans fast wegsegelt. Nicht mal mehr ein paar dieser wunderschönen jordanischen Steine können das Zelt sichern, so dass wir mitten in der Nacht samt unbeeindruckter Susi an einen sichereren Ort umziehen müssen.

Bild 1: Ich hab einen Zeltplatz gefunden. Ich bin happy.

Bild 2: Zeltplatz bei Nacht

DIE KARAWANE ZIEHT WEITER

Am letzten Tag unserer Trekkingtour besteht unsere einzige Aufgabe darin, Petra zu erreichen. »Only 12 kilometers« sagt unser Guide und nimmt einen tiefen Zug von seinem Glimmstängel. Bei 36 Grad Hitze, kommen wir zwischen all den rutschigen Felshängen, verschlungenen Wüstenwegen und steilen Steinschluchten aber ganz schön ins Schwitzen. Ja, Petras Lage schützte die Stadt lange vor Eindringlingen  vor allem wenn diese ähnliche Ausdauer und Kletterkünste wie ich an den Tag legten.

Kurz vor der circa nördlichen Stadtgrenze Petras ist es scheinbar Zeit sich zu verabschieden, wir werden hier auf offener »Straße« ganz ungeniert einem anderen Guide übergeben. Man tauscht ein paar Scheinchen und Papiere aus und schon ist das Geschäft besiegelt. Beide kichern. Wieder mal hinterfrage ich nicht, sondern füge mich meinem Schicksal. Vielleicht auch besser so. Unser Guide, dessen Name ich zu seinem eigenen Schutz nicht nenne, ist ohnehin mittlerweile auf einer anderen Wolke angelangt. ;-) Der neue Guide hat immerhin ein offizielles Schildchen an der Brusttasche baumeln. Mustafa ist sein Name.
»
And your name?
« fragt er auf meine Wanderfreundin zeigend.
»
I am Rebecca.
«
»
And you?
« dann auf mich zeigend.
»I am Rebecca too.«
Mustafa fühlt sich glaube ich etwas veräppelt von mir, da will man es den Menschen eeeein Mal einfach machen mit schwierigen Namen… nun ja.

Susi ist glücklich, schließlich hat sie eine Menge gelernt die letzten zwei Tage. Ich wünsche ihr noch viele nette Touristen die sie quer über die Bergwelt Petras führen darf.
Susi war übrigens so nett uns den ganzen Weg bis zur Übergabe zu begleiten, dafür gab es noch mehr Wasser, Äpfel und etwas Liebe für das Muli. Mehr musste Susi nicht tun. Ich bin mir sicher, dass es ihr bei ihren Menschen gut geht, sie sah wohlgenährt und gepflegt aus, unser Guide ging sehr gut mit ihr um. Anders als die armen Geschöpfe die man am Eingang von Petra sieht (und später auch in Petra selber), die Pferde, Esel und Kamele werden wirklich nicht gut behandelt. Wenn man also einigermaßen gut zu Fuß ist, sollte man den teils doch recht aufdringlichen Angeboten auf einem der Tiere durch den gerade mal 1,5 Kilometer langen Siq zu reiten, besser nicht nachkommen.
Mit Mustafa entwickelt sich unsere gemütliche Wanderung plötzlich zum Highspeed-Erlebnis. Er wolle uns ja noch so viel zeigen in Petra und überhaupt… Yallah! Yallah! So flitzen wir unserem hochmotiviertem, neuem Guide hinterher, hastige Erklärungen über Entstehungsgeschichte, Nabatäer, Königreich, Weihrauch, Karawanenweg, Römer, Opferplatz, Grabstätten, Tempel, Kirchen, Wohnstätten, Erdbeben, Wasserversorgungssystem, Mr. Burckhardt und Wiederentdeckung, hier noch schnell ein Tea-To-Go, keine Zeit, weiter geht’s. Puh! Wir laufen gerade entlang eines steinigen Hochplateaus und fragen uns schon wie viele Kilometer es wohl noch sein mögen, als sich uns recht unerwartet und plötzlich ein gigantischer Blick auf die einst verloren geglaubte Felsenstadt der Nabatäer eröffnet! »Welcome to Petra!« strahlt Mustafa. Wir strahlen mit. Wow, da sind wir! Da liegt sie vor uns. Petra! Eine Stadt immensen Ausmaßes, wie ich erst im Laufe unserer Wanderung begriffen habe…

Es ist heiß…

HOW TO SURVIVE

DEN WEG NACH PETRA

… und das umliegende Bergland von Edom und Wadi Araba

  •  Ganz gleich ob man sich für eine Wanderung mit Guide oder ohne Guide entscheidet, für eine Mehrtageswanderung, eine Tagestour, nur in Petra oder auch um Petra herum: Es ist erforderlich, vorher ein Ticket im Visitor Centre zu holen! Auch bei Wanderungen im Umland passiert man Kontrollposten bei denen ein (gestempeltes!) Ticket vorgezeigt werden muss. Das sieht dann so aus, dass Ticketkontrolleure auf einem Aussichtspunkt sitzen und runtergerast kommen, sobald sie einen erblicken. Bei uns hat das zwar unser Guide mit einem lässigen Handzeichen geregelt, aber in der Theorie… nun ja, es scheint besser, sich nicht ohne gültiges Ticket im weiten Umkreis von Petra aufzuhalten. Des Weiteren hatten wir eine Permit fürs Zelten.
  • Ich hätte -wirklich- gerne Wanderstöcke dabei gehabt, hatte ich aber nicht. Da ich ja dachte, Jordanien sei flach und sandig, musste ich mir vor Ort welche leihen.
  • Die Sache mit der Kleidung: Ich hab selten so lange überlegt was ich zu anziehen mitnehme wie für Jordanien. Es sollte nicht zu warm und nichts schwarzes sein, fürs Trekking geeignet, den Körper nicht betonen, ihn am besten sogar bedecken. Zudem, leicht, atmungsaktiv und schnelltrocknend sein, die üblichen Verdächtigen. Und ganz nebenbei: Wie der letzte Idiot will man ja auch nicht aussehen. Puh. Eine ganz schöne Herausforderung. Meine sehr praktischen Wanderleggings fielen somit also raus. Generell sollten alle religiösen Stätten von Frauen nur mit bedeckten Schultern und mit keinen weit ausgeschnittenen oder ärmellosen Oberteilen und/oder kurzen Hosen oder Röcken betreten werden. Das mit den Hosen gilt übrigens auch für Männer. In den ländlichen Regionen und überall dort wo man auf Beduinen trifft, sollte ebenfalls auf angemessene, dezente Kleidung geachtet werden. In Petra scheint die Kleiderordnung zwar etwas lockerer, aber übertreiben sollte man es auch hier nicht. Beim Wüstentrekking sind auch kurze (also etwa knielange) Hosen okay. In den Städten hab ich sogar meinen Kopf bedeckt, was irgendwie ganz automatisch passiert wenn man dort ist. In Akaba an touristischen Stränden können Bikini oder Badeanzug problemlos getragen werden.
    In meinem Gepäck landeten für die Trekkingtouren: eine helle, lange, atmungsaktive Zip-Hose, zwei leichte Sportoberteile, eine langärmlige helle Leinenbluse (Leinen ist absolut ungeeignet fürs Wandern! War ich aber auch erst wieder hinterher schlauer) , eine Trainingsjacke, ein Fleecepullover, eine Daunenjacke (ja, hab ich alles gebraucht in Jordanien!) und ein Tuch das ich mir jederzeit um die Schultern legen konnte. Schuhe, Socken, Kopfbedeckung, Unterwäsche. Fertig.
  • Guides und Mulis freuen sich über ein angemessenes Trinkgeld.

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