Oft werde ich ja für mein Rechercheverhalten vor einer Reise etwas belächelt, wenn nicht sogar kritisiert. Nur gehört so eine kleine Wissenserweiterung über Klima, Wanderrouten-Schweregrad, mögliche Gefahren, verunglückte Wanderer, Sterblichkeitsrate,… okay, nein, *atmen*, über Land, Sitten, Gebräuche, tolle Landschaften und Packlisten für mich zur Vorfreude dazu. Außerdem mag ich es, schon im Vorfeld abwägen zu können, ob mich die geplante Tour nur fordern oder überfordern und mich nahe eines Nervenzusammenbruchs bringen wird. Das artet manchmal sogar darin aus, dass ich mir ins www gestellte Videos genauestens analysiere um herauszufinden, ob die Tour beispielsweise nicht doch etwas zu viel für meine Höhenangst ist. Und mache sie dann trotzdem. Ich finde es auch nicht schlimm, im Netz oder in Reisebüchern schon den einen oder anderen Ort virtuell zu besuchen – ihn dann in der Realität mit eigenen Augen zu erleben, ist eh noch mal ’ne andere Nummer. Sollte ich irgendwann mal eine wirklich lange Reise machen, werde ich mich aber ganz sicher auch nur – ohne vorheriger Recherchen – treiben lassen, denn dann hab ich ja Zeit, zum Verlaufen, zum Umkehren, zum Umwegegehen. Derweil: Welcome to Recherche-Queen-Club!
NICHT-VORBEREITUNGEN
Was aber passiert wenn man wegen Zeitmangel auf diese Vorfreude-Prozedur verzichtet, hab ich in Jordanien erleben dürfen. Die Idee nach Jordanien zu reisen um dort bei einigen Wanderungen zu entspannen (ent-spannen?! Haaa-ha-ha) entstand relativ spontan, nämlich vier Wochen vor Abflug. Ich sehnte mich nach Ruhe, Erholung, ein bisschen Wandern und einem totalen Kontrastprogramm zu meinen vorherigen Wanderungen die eher quer über irgendein grün-graues Gebirge gehen. Es zog mich in ein Land mit viel Wüste. Eine zehnminütige Basic-Recherche gönnte ich mir dann doch noch,… ah ja… Jordanien besteht zu 80% aus Wüste, Wüstenklima, Wüstentrekking, Wüstenpfade, Wüstenhimmel, Wüstenruhe, Wüstenspringmäuse, wie süß. Zack, das Flugticket war gebucht. Auch, dass man scheinbar viele der Wanderungen nicht ohne Guide unternehmen soll, störte mich ausnahmsweise mal nicht. Ich hatte Lust das Zepter mal abzugeben, sollen die anderen machen, ist mir recht.
YALLAH! YALLAH!
➜ Meine erste Wanderung inJordanien führte mich dann durch das viel gelobte BiosphärenreservatDana. Ich schnürte meine echt ziemlich abgelatschten Wanderschuhe, Zeit mir neue zu besorgen war vor Abreise nicht mehr, aber für die flachen, sandigen Wüstenpfade würde es schon reichen – dachte ich jedenfalls…
… und dann geht es an irgendeiner Ecke des Kings Highways auch schon los. Dort treffe ich auf meine kleine Wandergruppe für den Tag und dem Beduinen Nael, was so viel heißt wie »Sohn des Löwen«. Alright. Rooooow! Nun ja, ich unterbreche hier den Bericht und spule mal einige Kilometer vor:
Hier kämpfe ich mich seit etwa einer Stunde und bei 36 Grad Hitze durchs Kalk- und Granitsteingebirge des wunderschönen Dana Naturreservats, nahe einem hysterischen Lachanfall angesichts so viel Naivität. Und warum bin ich alleine auf dem Bild? Riiiichtig, weil ich die Letzte im Bunde bin die hechelnd hinter der Gruppe herschleicht.
Eigentlich hätte ich direkt schon stutzig werden sollen, als unser ziemlich athletischer Guide mit einem Bergsteiger- und Rettungsseil am Rucksack baumelnd ankam…
Aus meiner schemenhaften Vorstellung »Jordanien, flach, sandig, erholsam« wurde schnell eine leicht anstrengende Kraxelei zwischen Felswänden und Steinlabyrinthen auf aalglatten Sohlen und einer Kondition wie ein Faultier kurz vor Rente… Jackpot. Nael ist aber Gentleman und hilft mir immer wieder mal die Stufen hinunter, kommentarlos lächelnd. Shukran! Der gesamte Trail ist 29 km lang. Ha! Hab ich euch. Okay, ich gebe es zu. Hört sich an wie 29, sind aber nur fünfnhalb. Ja Mann, fünf. Und ein halber. Bilder des Elends erspare ich euch, darum nur Bilder der schönen Landschaft:
Puh, endlich mal flache Rennstrecke!
TEEPÄUSCHEN
Auf halber Strecke bekomm ich meine wohlverdiente Pause. Endlich. Ich möchte mich im Schatten auf einen Stein plumpsen lassen der mir angenehm zu sitzen aussieht. Nael kommt mir dann aber irgendwie zuvor, hebt gelassen den Stein hoch, und zeigt auf einen Skorpion, der direkt eine aggressive Todeskampf-WegvonmeinemStein-Haltung einnimmt. »Watch out for the scorpions, they like to hide under the stones!« Ah ja, unter den Steinen verstecken sie sich also, diese Skorpione und ich lasse schweigend meinen Blick über all die vielen, vielen Felsen, Steine, Steinchen schweifen.
Nael scheint seinen halben Hausstand mit sich umher zu tragen, denn nachdem er das Rettungsseil von seinem Rucksack gelöst hat, packt er Teekessel, Becher, kleine Löffel, Wasser, Zuckersack und Kräuter aus. Nun macht der Mann auch noch mit drei Handgriffen ein Feuer und ich überlege mir, dass ich auch gern einen Sohn des Löwens in Deutschlands hätte (entschuldigt bitte, die Hitze).
Skorpion in Angriffsstellung. Da ich ihn versehentlich beim Chillen gestört hatte, konnte ich ihm diese übellaunige Reaktion aber auch nicht verübeln.
Bei Tee unterhalten wir uns dann wieder über Skorpione. Mit Händen und Füßen erzählt Nael mir, dass es bei den Beduinen üblich sei, dass man in jungen Jahren, eine Art Impfung gegen Skorpiongift bekommt. Dabei wird einem Skorpion etwas Gift aus seinem Stachel gequetscht und in den Arm des Kindes gebracht. So hat der Körper die Chance ein lebenslange Immunität aufzubauen. Das alles erklärt auch Neals Gelassenheit inmitten dieser vielen, vielen Skorpione die unter all den Steinen auf uns lauern. Die gelben Skorpione sind giftiger (jedenfalls hier in Jordanien!), manche Skorpione leuchten im Dunkeln und nicht immer wird bei einem Stich auch Gift injiziert. Käme auf den Charakter des Skorpions an. A-ha. Ziemlich gebildet führe ich meine Wanderung nach der Teepause dann fort.
MAI ALSLAMA (AUF WIEDERSEHEN)
Nael kann leider nicht so viel Englisch und ich nur drei Worte jordanisch. Die hatte ich vorher in Deutschland von einer syrischen Praktikantin bei der Physio gelernt. Unsere Gespräche vertiefen sich also leider nicht weiter. Am Ende der Tour verabschiede ich mich von Nael, für immer, wir tauschen keine Nummern aus. ;-)
Tschühüüüüss
Only in complete silence, will you hear the desert.
beduin proverb
DAS RUMMANA CAMP
ECO-CAMPING IM WADI DANA
Meine Reise führt mich dann weiter ins Rummana Camp, welches quasi auf der gegenüberliegenden Seite des Wadi Danas auf einem wunderschönen Plateau mit Sicht auf das Jordan-Tal liegt. Der Transfer funktioniert reibungslos. Hier weiß irgendwie immer schon jeder Bescheid, dass man kommt. Vom Kleinbus steig ich in einen Jeep um, der über die staubige Piste ins Camp brettert. Ich erreiche das Camp noch vor Sonnenuntergang und verbringe mit einigen anderen Wanderern einen tollen Abend bei arabischem Essen und Lagerfeuer. Genächtigt wird heute sehr mondän, in einem Achtung: Glaaaaaampingzelt mit Bett und Lampe. Hui. Nach so einem harten Tag aber auch das Mindeste. ;-)
Impressionen eines schönen Abends
Am nächsten Tag pelle ich mich zum Sonnenaufgang von meiner Federkernmatratze, schlendere noch ein wenig auf dem Rummana-Trail umher und genieße den Ausblick vom Camp auf das weite Tal. Leider erwartet mich in Kürze schon mein Transfer Richtung Wadi Musa, so dass keine Zeit mehr für ausführliche Wanderungen bleibt. Würde ich die Tour noch mal machen, würde ich definitiv eine Nacht mehr hier einplanen. Die Landschaft ist wirklich wunderschön und man kann hier viel mehr Zeit verbringen als nur eine Nacht.
Öko-Camping in seiner schönsten Form
HOW TO SURVIVE
DANA NATURRESERVAT
Das Dana Naturreservat ist ein wunderschönes Fleckchen Erde. Hier einige Empfehlungen:
Länger bleiben als ich es tat.
Ansonsten helfen auf einer Wanderung im Dana Naturreservat Schuhe mit gutem Gripp. Trekkingstöcke sind nur bedingt sinnvoll, da man auch viel seine Hände nutzen muss um durch die Schluchten Danas zu kommen.
Watch out for the scorpions! Am Tag verstecken diese sich beispielsweise unter Steinen, Geröll oder in Felsspalten. Wenn man bisschen aufpasst, gibt es aber keinen Grund zur Sorge. Ach ja, und immer in die Schuhe reinschauen, bevor man reinschlüpft. (Allerdings wurde ich von den Jordaniern jedes Mal dafür ausgelacht ;-))