I want Moor – Schottlandbericht

Von Rannoch Moor bis Glen Coe

Schottland im Winter

Geht nicht? Geht wohl!

»Im Dezeeemmmber nach Schottland???!«, die wohl häufigste Reaktion auf unseren kleinen Neujahrstripp in die rauen Highlands.

Ich hatte kurzfristig angeordneten Zwangsurlaub, und kein, wirklich kein Urlaub darf jemals nur wanderlos zu Hause auf der Couch verbracht werden. Aber wohin im Dezember, wenn man eher auf Berge steht, aus Deutschland raus, aber zugleich nicht ewig fliegen möchte? Da ich schon immmmer mal nach Schottland wollte, war es nun soweit. Und Mutti musste mit. Keine Widerrede. Sie rebellierte auch gar nicht. Während ich schon Winterwanderschuhe, Thermounterwäsche, Trekkingzelt, Campingkocher und -geschirr zusammenpackte, buchte meine Mutter beheizbaren Mietwagen und schickes Hotel mit Seeblick. In den Highlands. Bei denen waren wir uns einig. Hier gibt es jede Menge Munros, Lochs, Moore, weite Landschaften, alte Burgen, Schlösser und Ruinen. Und Whiskyeis. Hmmm, lecker.

In Edinburgh angekommen, nahmen wir direkt unseren quietscheroten Mietwagen mit der Aufschrift »Tourist driving!« (tzzz…) in Empfang und stürzten uns in den Gegen… äh, Linksverkehr, mit 10, 15, huiiii 25, 30 Panik-Stundenkilometer und Geschwindigkeitsrausch. Zum Warmwerden fuhren wir dann auch direkt die 146 Kilometer bis zu unserer Basisstation in Kinloch Rannoch durch. Nicht unbedingt die schlaueste Idee, denn dafür benötigten wir direkt mal vier lange, aufregende Stunden. Die Straßen wurden irgendwie immer enger, kurviger und hügeliger.

Fahrbahnmarkierungen und Straßenbeleuchtungen fehlen in der ländlichen Gegend gänzlich, so dass man für 50-60 Kilometer auf der Landstraße mal schnell zwei Stunden brauchen kann und meine Wenigkeit ständig Angst hatte, in der nächsten schwer einsehbaren Kurve mit einem geschwindigkeitsfesten Schotten zusammen zu krachen. Zu viel für meine zarten, bereits autounfallvorbelasteten Nerven. Aber hey, was tut man nicht alles für eine ordentliche Wanderwoche. Beachtet mein Gekreische also gar nicht.
Spoiler: Es ging alles gut. Nur zwei Mal sind wir irgendwo unsanft aufgeschlagen.

Das schottische Hochlandmoor im Winter erleben

Loch Eigheach und Rannoch Moor

Von Kinloch Rannoch sind es nur knapp 25 Kilometer bis zur Rannoch Station von wo aus unsere Wanderung ins Moor starten soll. Natürlich brauchen wir mit dem spiegelverkehrt gebauten Auto direkt wieder zwei Stunden. Okay, das liegt auch an den zahlreichen Zwischenstopps für Miniwanderungen, Tierbeobachtungen und Fotoekstasen, die wir zwischen Loch Rannoch und Loch Eigheach einlegen, denn schon gleich am ersten Tag gibt Schottland stimmungsmäßig alles: tiefhängender, über die Seen ziehender Nebel, eisig-glitzernder Raureif auf Wiesen und Feldern, grasende Rehe, Hirsche und Highland Cattles, schneebedeckte Berggipfel, wärmende Sonnenstrahlen und knackendes Eis am Ufer der Lochs begrüßen uns. Mystisch. Anders. Besonders. Ich bin direkt verliebt.
Unseren ersten Boxenstopp legen wir am Loch Eigheach ein. Das Ufer hier ist wirklich ganz zauberhaft und wir lauschen dem in den warmen Sonnenstrahlen knackendem Eis
 

INFO: Auf der gegenüberliegenden Straßenseite gibt es übrigens einen etwa 15 Kilometer langen Trail zum Loch Ossian und dem dort liegenden Loch Ossian Hostel, welches man nur zu Fuß erreichen kann – klingt nach toller Einsamkeit in toller Landschaft… irgendwann werde ich wohl noch mal nach Schottland zurückkehren müssen.

Auf den letzten Metern zur Rannoch Station treffen wir dann auf einige Rehe die sich gerade ihr Frühstück in den Bauch schlagen. Die Tiere scheinen nicht gerade die scheusten zu sein… vermutlich erhoffen sie sich Futter. Nun ja, meinen Müsliriegel wollte ich dann aber doch nicht teilen.
Wir lassen dann unser quietscherotes Auto unter Beobachtung der Rehe an dem kleinen Bahnhof stehen und folgen, durch ein Gatter gehend, dem Wanderweg Richtung Rannoch Moor. Schottland in seiner wildesten Form erwartet uns hier. Das Moor erstreckt sich auf einer Fläche von circa 130 Quadratkilometern und liegt 300 bis 400 Meter über dem Meeresspiegel, nur um euch noch kurz mit einigen Fakten zu langweilen. Wie man mitten durch das Moor eine Eisenbahnlinie verlegen konnte, ist mir schleierhaft, kann man aber ruckizucki im Internet herausfinden. Das ist übrigens genau die Linie, auf dem weiter westlich dieser Zug fährt, der durch die Harry Potter Filme bekannt geworden ist. Zack, alle wieder wach. Na ja, jedenfalls die, die das interessiert. Da das Moor für Landwirtschaft ziemlich ungeeignet ist, ist Rannoch Moor eine der wenigen unberührten Landschaften Schottlands, voller Sümpfe, Tümpel, Pfützen, Wasserlöcher und Seen. Ein Besuch in dieser wilden Landschaft lohnt sich für Wanderer sehr!

Nach einer ausgedehnten Mittagspause spazieren wir dann noch etwas am Ufer des Loch Laidon entlang, ich fotografiere ein einsames Bäumchen das mitten im Moor steht, dann machen wir uns auf den Rückweg.

Hier flitze ich über die Strände der vielen Lochs in Rannoch Moor

Craig Varr, Panoramablick über Loch Rannoch

Nach Kaffee und Kuchen im süßen Dorfladen »Treats« in Kinloch Rannoch ist der Aufstieg auf den Craig Varr eine schöne Nachmittags- bzw. Abendwanderung, als Rundweg gestaltbar und in gut zwei Stunden gemütlich zu bewältigen. Von hier hat man einen tollen Panoramablick über Loch Rannoch und den Fluß Tummel. Der Weg ist nicht ausgeschildert, aber man kann sich nicht verlaufen, denn es gibt nur einen.

Kilchurn Castle und Loch Awe

Weil bei keinem Schottlandbesuch die Besichtigung einer Burg fehlen darf, entscheiden wir uns für Kilchurn Castle, eine bezaubernden Burgruine am Nordostufer von Loch Awe. Entstanden im 15. Jahrhundert, ist die Burg bis heute noch fast vollständig erhalten und durch ihre Lage auf einer winzigen Halbinsel besonders charmant.
 
Bevor es aber zur Burg itself geht, fahren wir erst mal ein kleines Stück die A819 entlang, parken unser Auto auf einem der wenigen Parkplätze am Straßenrand und bestaunen nach einem kurzen Fußmarsch Kilchurn Castle von seiner südlichen Seite. Loch Awe ist übrigens riesig und entlang des Ufers gibt es noch die ein oder andere Burg, Kirche oder Ruinen zu entdecken. Kilchurn Castle ist aber sicherlich die am besten Erhaltende von ihnen.

Nach einer ausgedehnten Fotoknipserei, wechseln wir den Standort. Von einem für Besucher angelegten Parkplatz am Nordostufer des Loch Awe (an der A85) führt ein etwa 700 Meter langer Fußweg zur Burg. Im Dezember hatten wir die Burg dann auch fast für uns alleine. Von einem Erklärschild lerne ich, dass hier mal die Campbells gewohnt haben, die kenne ich schon von diversen Highländerfilmen. ;-)

Burgfräulein
 

Ausflug ins Glen Coe, ein Fazit

Glen Coe, das »Tal der Tränen«. Ein Klassiker. Aber auch die müssen manchmal sein. Zahlreiche Berichte, Fotos und Lobhymnen kann man über diesen Ort im worldwideweb finden. Ich brauch also nicht zu erzählen, was man im Wandergebiet von Glen Coe alles so entdecken kann, das findet man schnell alleine raus. Hier erzähle ich aber mal kurz von Freuden und Leiden dieses Klassikers: Die Beliebtheit Glen Coes hat auf jeden Fall ihre Berechtigung. Die Kulisse ist wirklich-wirklich toll! So steht man dann da inmitten der wilden Landschaft und würde sich auch nicht wundern, würde ein Highlander auf seinem Pferd vorbeigeritten kommen. Bis dahin lässt man einfach seinen Blick durch dieses von Mythen und schauderhaften Erzählungen behaftetes Tal schweifen.
Hier stehe ich inmitten mystischer Natur und warte auf einen vorbeireitenden Highlander
In Glen Coe ist es übrigens immer etwas kälter und rauer als im umliegenden Land
 

Die Landschaft hier ist schon wirklich ziemlich toll. Was ich aber nicht ganz so toll fand, war der touristische Ansturm. Okay, ich war auch da, aber ich hätte nicht gedacht, dass das Wandergebiet so überlaufen ist. Na ja, eigentlich waren nur Parkplätze und der »Fotopoint« mit Sicht auf die Three Sisters überlaufen. Es gibt nur wenige Parkplätze und -buchten, ein Wenden oder gar Halten auf der Road A82 ist nicht möglich. Ganze Busse voller Touristen fuhren vor, alle stürmten nach draußen um ein »We made it!« Foto zu schießen und dann wieder in den Bus zu steigen und davonzufahren. Hm. Ich weiß bei einem solchen Anblick immer gar nicht wen ich mehr bemitleiden soll, die schöne Landschaft, die eigentlich mehr Aufmerksamkeit verdient hätte oder die Touristen, die sich keine Zeit nehmen und die schöne Landschaft wohlmöglich erst auf ihren Fotos zurück zu Hause entdecken. Ich muss das irgendwann noch mal genauer drüber nachdenken. ;-)

Jedenfalls hat Glen Coe sooo viel mehr zu bieten als nur den einen oder anderen bekannten Instagram-Spot. Zwischen den Zeilen lesen, oder zwischen den Hotspots gucken, lohnt sich also auch hier wie so oft. Ich hab mir fest vorgenommen, trotz der eher hohen Besucherfrequenz noch mal hierher zurück zu kommen. Ohne Auto. So haben wir zum Beispiel keinen einzigen Wasserfall im Glen Coe gesehen, einfach nur, weil wir keinen Parkplatz bekommen haben (grrr!) und die Tageslichtzeit für ausgiebigere Wanderungen einfach zu kurz war. Nun ja, ich trauere solch verpassten Chancen ja wirklich lange hinterher (Hatte ich eigentlich schon erzählt, vor vielen Jahren verpasst zu haben in Irland einen Blick auf den Dunquin Pier zu werfen, also der Ort an dem die Schafe an Land gehen wenn sie im Winter von den Blasket Inseln aufs Festland geholt werden? Tja, ich muss wohl noch mal nach Irland…).

 
Einer meiner vielen Wanderwünsche ist es ja, Schottland mal bis zum nordwestlichsten Punkt zu durchlaufen, also so ungefähr bis zum Cape Wrath, oder auch von West nach Ost. Oder den West Highland Way. So oder so liegt Glen Coe da bestimmt locker auf dem Weg.

NACHTRAG
➤ Lag es. Circa drei Jahre später, im Oktober 2022, besuchte ich im Zuge meiner Wanderung auf dem West Highland Way das Tal Glen Coe noch einmal. Den Bericht dazu findest du hier.

Etwas weiter weg von Straße und Parkplatz wurde es dann auch ruhiger

Ach, und dann war ja noch Silvester

Zu Silvester reservierten wir uns einen Tisch mit Dinner im lokalen Restaurant unserer Unterkunft. Es gab leckeres Essen und schöne Klaviermusik, ganz dekadent. Da trauerte ich auch meinem Campingkocher und der Tütensuppe mit Instantnudeln nicht mehr hinterher. Das Beste allerdings war die Herzlichkeit und Fröhlichkeit der Schotten mit denen wir ins neue Jahr feierten und nach gediegenem Dinner uns die Partytröten und durch die Luft quietschenden Ballons um die Köpfe hauten. Ich mag die Schotten.

Mein Fazit: Schottland ist unglaublich und das mystische Wetter hat Schottland noch mal unglaublicher gemacht. Entgegen der vielen Vorhersagen »Aber da wird es doch im Dezember totaaal viel regnen«, regnete es dann aber eigentlich gar nicht so viel. Das Wetter war die meiste Zeit sogar ganz schön. Sieben Tage Schottland waren aber definitiv nicht genug. Meine To-Hike-Liste ist so lang, dass ich mir immer kaum vorstellen kann, ein Land zwei Mal zu bereisen, aber Schottland hat mich so gefesselt, dass ich definitiv wiederkommen werde. Scotland, I want moor!

Outtakes

Regen. Nur ein bisschen. Ich schwöre.
Alle nass.

HOW TO SURVIVE

SCHOTTISCHES HOCHLAND

  • Solltest du dich auch für einen Besuch im Winter entscheiden, denkt daran, dass das Zeitfenster am Tage recht kurz ist, da es erst gegen 9 Uhr hell wird und gegen 16 Uhr auch schon wieder dunkel. Mit der richtigen Planung der Tagestouren ist aber dennoch genügend Zeit die wunderschöne Landschaft zu genießen. Dafür wird man mit mystischer Natur und spektakulärem Licht belohnt. Falls es doch mal regnet: Macht nichts, hört eh gleich wieder auf, wie auch die Schotten sagen: »Wenn dir das Wetter nicht passt, dann warte fünf Minuten.« … gähn, ja schon gut, alter Schuh. 

  • Kurze Packliste für den Winter:
    Dicke, wind- und regenabweisende Jacke
    Wind- und regenabweisende Hosen
    Ich zieh oft auch einfach dicke Leggings an und darüber bei Bedarf eine Regenhose
    Ggf. Regenponcho
    Wasserabweisende Schuhe!
    Warmhaltende Thermowäsche, Leggings und Longsleeve
    Warmhaltende Socken
    Mütze
    Handschuhe
    Isokanne

    Isolierte Sitzmatte für die Snackpause
    Mückenschutz braucht man im Winter zum Glück nicht.
    Über die schottischen Mücken, also die Midges kann ich noch keine Erfahrung teilen. Sie sollen aber vor allem zwischen Ende Mai und Anfang August vorkommen und sich besonders wohl in den Highlands fühlen, denn da ist es schön feucht und gemütlich. Ich werde berichten…

  • Das Steuer ist rechts, der Schaltknüppel links, das ist in Schottland normal. Ich hab mir sagen lassen, dass man sich aber schnell daran gewöhnt und man sich dann zurück in Deutschland direkt wieder an das Fahren auf der rechten Seite »zurückgewöhnen« muss.
  • Es gibt zu Silvester kein Feuerwerk in Schottland. Hey, is‘ doch super!

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