Wie alles begann
Eine Reise von tausend Meilen beginnt mit dem ersten Schritt.Lao Tse

Das bin ich, im Jahre 2015 in Santiago in Spanien, braun gebrannt, nämlich ziemlich genau vom Knöchel bis zur Kniekehle und vom Kinn bis zur Nasenspitze, freudestrahlend wie ein Honigkuchenpferd, denn ich halte meine frisch gedruckte Pilgerurkunde in den Händen. Diese bestätigte, von allen bis dato getanen Sünden freigesprochen zu sein. Puh! Dafür war ich auch weit gelaufen: 346,8 Kilometer um genau zu sein. Von Porto am Meer, hinein ins Landesinnere, über weite Weinberge, grüne Felder, durch charmante Dörfer, duftende Wälder und über felsige Hügel mit toller Aussicht. Das erste Mal, dass ich mich mehr als fünf Kilometer an einem Stück zu Fuß fortbewegt hatte. Für mich klang dieses Vorhaben anfangs ziemlich absurd und ich erinnere mich genau, wie ich nach bereits 10 Minuten Fußweg, leicht hysterisch in mich hineinlachte – war es doch eine eigentlich ziemlich seltsame Idee, das alles laufen zu wollen! Zumal nach Santiago auch ein Bus fährt.
Der Rucksack drückte, die Füße schmerzten, aber der heilige Jakobus persönlich schien mich zu rufen, so laut, dass ich Tag für Tag weiterging, bis nach Santiago de Compostela – und von dort auch die nächsten Jahre weiter: Über die einsamen, mystischen Anden in Peru, über knietief überflutete, irische Felder, über glühende, staubtrockene Pfade in der italienischen Toskana, über die weiten, farbenfrohen Berge in Bolivien bis hin zu den atemberaubend magischen Himalayas in Nepal. Eine doch recht steile Karriere, im wahrsten Sinne. Hätte mir das jemand einige Jahre zuvor prophezeit, hätte ich wohl auch das für eine ziemlich absurde Vorhersage gehalten.
Das Wandern hat mir in den letzten Jahren aber so tolle Begegnungen und Freundschaften geschenkt, so viele unvergessliche, überwältigende Momente und Erlebnisse. Es erfüllt mein Herz und macht mich in all diesen Augenblicken, sehr-sehr dolle glücklich. Wie oft stand ich in sagenhaft, schönster Landschaft und konnte nicht glauben was ich sah?!? Damals auf dem Jakobsweg dachte ich noch, dass dieser zwar eine ganz nette und neue Erfahrung war, mich aber eigentlich nicht großartig verändert hätte, wie man es von diesen Jakobswegen immer erzählt bekommt: Erleuchtung, Selbstfindung, Lebenswandel, Menschen, Bilder, Emotionen. Scheinbar hatte ich das verpasst. Heute aber, einige Jahre später, sehe ich das völlig anders: Das Reisen zu Fuß, das Landschaften-Entdecken, das Aus-dem-Alltag-Ausbrechen, sich treiben lassen,… all das, ist für mich eine ganz besondere Art der Glückssuche geworden. Es ist Magie, Euphorie, innerer Frieden und unbändige Freude zugleich – und es ist so einfach zu erreichen! Das Wandern hat mein Leben um so vieles bereichert, dass ich es zunehmendst begeistert als »dazugewonnene Lebensfreude« begrüße. Mittlerweile weiß ich, der Camino de Santiago war für mich nur der Anfang eines vielverändernden Weges, den ich hoffentlich noch lange, lange weitergehen darf.
Fernwehgeplagter Angsthase
Freiheit heißt nicht, keine Angst zu haben, sondern es trotzdem zu wagen.
Genau genommen schlug mein Herz schon immer für das Entdecken spannender Orte. Früher war es der heimische Wald den ich stundenlang durchstreifte und kannte wie meine Kinder-Westentasche. Später war es dann eher die Kleinstadtdisko und irgendwann verlor ich meine Leidenschaft gänzlich aus den Augen. Ich hatte zwar Vorstellungen darüber, wo ich »irgendwann« mal hinreisen, und was ich in meinem Leben »irgendwann« mal gesehen haben wollte, aber es passte nie. Keine Zeit, kein Geld oder beides zusammen. Oft auch scheiterte es am fehlenden Reisepartner:in, und so war ich zu sehr damit beschäftigt auf andere zu warten – jahrelang. Währenddessen hatte die Sehnsucht nach »Ich-wusste-nicht-genau-was« unbemerkt Zeit, einige Jahre zu wachsen… und zu wachsen, bis ich es, aus mir damals nicht bekannten Gründen, kaum noch aushielt.
Nach einem anstrengenden Job wollte ich mich besinnen, ich wollte was mit Huskies in Alaska machen. Oder den Jakobsweg gehen. Von dem hatte ich mal gehört. Nur mit dem Wandern hatte ich bis dato eigentlich nichts am Hut. Im Gegenteil. Ich hasste es, von den Eltern getrieben durch den bayerischen Wald zu laufen. Eine meiner schlimmsten Schulerinnerungen spielt sich in den englischen Cotswolds ab, als wir von unserem Geografielehrer stundenlang über regendurchweichte Hügel gejagt wurden, als sein wir in ein Gehorsamscamp für schwer erziehbare Jugendliche geraten – bis wir heimlich mit dem in unserer Gruppe, damals einzig existierenden Telefonzellen-Handy ein Großraumtaxi zum nächstmöglichen Wanderparkplatz bestellten. Ganz ohne Hilfe von Internet, Navi und Standpunktanalyse, wie man es heute so machen würde. Klappte. Sehr zum Leid unseres Lehrers. Nicht mal für unsere Orientierungs- und Koordinatenbestimmungs-Skills wurden wir gelobt…
Ein Foto von den schönen Cotswolds existiert nicht, denn wie gesagt, es interessierte mich zu der Zeit einfach nicht. Eventuell hol ich das irgendwann mal nach. Derweil ein Foto aus den Alpen in Deutschland.
… Ich entschied mich jedenfalls für »Jakobsweg mit Erleuchtung«. Nachdem mein Finger dann eine geschlagene Stunde auf dem »Flug buchen«-Button ruhte, zuckte es unkontrolliert und so drückte ich versehentlich ohne Vorwarnung ab: »Oh mein Gotttttt, was hab ich getan!?!??« kreischte ich vom Stuhl aufspringend los. Mir wurde heiß und kalt und nach einer kurzen Schockstarre war ich aufgeregt damit beschäftigt, Freunde und Familie abzutelefonieren, um ihnen mein Leid zu klagen und nebenbei alle nötigen und unnötigen Wanderutensilien zu besorgen und borgen.
Nach drei Wochen aufregender Vorbereitungszeit zwischen Vorfreude und Vorpanik schwankend, einen Plan B und vorsichtshalber auch einen Plan C im Rucksack (die da hießen »Wenn ich’s blöde finde, fahr ich halt ans Meer – oder zurück nach Hause«) stieg ich dann im Herbst 2015 in den Flieger Richtung Portugal. Ich tat es einfach und es gefiel mir, dieses Wandern. Und so war es auch gar nicht schwierig. Wirklich nicht. Ich liebte es. Warum genau hatte ich jahrelang gewartet?
Ab diesem Tag war ich mit dem Wandervirus infiziert. Mit einer unermüdlichen Beharrlichkeit versuche ich seitdem mein Wanderding durchzuziehen. Ohrstöpsel rechts, Ohrstöpsel links, bei Warnungen wie »Musst du da unbedingt hin??!« und »Das ist ja viel zu gefährlich!«, schalte ich auf Durchzug. Ja, muss ich. Und klar kann ich. Und wie, erzähle ich auf diesem Blog!
Einige (un)brauchbare Facts über mich
- Eigentlich mach ich was mit Mode. Seit einigen Monaten aber nicht mehr – da entschied ich, erst ein wenig durch Europa und dann auf dem Pacific Crest Trail in den USA zu wandern. Hui! Auf allen Trails bin ich natürlich immer bestens gekleidet. Berufsrestmacke.
- Ich bin ein humorvoller Mensch. Am meisten lach ich aber über mich selbst. Das ist okay.
- Als Kind hasste ich wandern. Mittlerweile geht’s.
- Ich hab mich mal nachts auf einem Campingplatz verlaufen und fand mein Zelt nicht mehr. Sehr zur Belustigung der dortigen Camper.
- 2019 erkrankte ich an Krebs. Der feste Wille so schnell wie möglich wieder auf die Trails dieser Welt zu kommen, lies mich durchhalten.
- Auf meinem LASH (Long Ass Section Hike) durch die kalifornische Wüste, fand ich eines morgens eine Tarantel in der Seitentasche meines Rucksacks. Sie guckte recht erschrocken.
- Ich hingegen erschrecke mich vor dem Rascheln kleiner Vögel und Eichhörnchen, könnte ja ein Löwe sein.
... Ach, und warum eigentlich »Rebeccpack?«
Das ist schnell erklärt:
Im »richtigen« (oder im anderen?) Leben heiße ich Rebecca und draußen in der Natur trifft man mich eigentlich nur mit meinem roten Backpack an, manchmal auch mit einem grün-blauen. Das wars auch schon. Krasses Wortspiel, oder? ;-)