Sächsische Schweiz – Deutschland
Es waren einige Wochen seit meiner Hüft-Reparatur-Aktion vergangen und ich scharte bereits ungeduldig mit den Hufen – wollte ich doch ENDLICH wieder den Rucksack satteln und losgaloppieren. Mein Orthopäde hatte dafür nur ein müdes Augenrollen übrig, scheinbar war ich seine engagierteste, aber auch seine ungeduldigste Patientin. Die Idee einer Testwanderung im kirgisischen Gebirge begeisterte ihn wenig. Ich solle doch bitte erst mal klein anfangen. KLEIN! Tzzzz. Aber bitte.
Ich schaute, wo in der Nähe das allerhöchste Gebirge ist, nahm mir kurzerhand einige Tage frei und fuhr los in die Sächsische Schweiz. Übernachten wollte ich in einer kleinen Wanderhütte am Ortsrand von Wehlen. Ziemlich vernünftig, fand ich. So würde ich nur kleine Tagestouren mit leichtem Gepäck unternehmen und ausloten was geht – oder eben auch nicht geht. Ich packte die üblichen fünfnhalb Kilo Snacks in meinen kleinen Rucksack und schon ging es los. Ich erzählte niemandem von meiner Mission. Zu groß war die Angst, dass ich enttäuscht werde, falls es doch nicht mehr klappen würde mit dem Wandern. Dann würde ich einfach wieder nach Hause fahren und niemand bekäme von meinem Ausflug mit. Ich befand mich nun also auf geheimer Mission. Spannend. Jedenfalls ein bisschen. Vorsichtshalber packte ich dann aber noch meine Notfallpfeife in den Rucksack.
Wandern in der sächsischen Schweiz
– und in der böhmischen
ANKUNFT
Inkognito setzte ich mich in Berlin in den Zug Richtung Dresden und von dort weiter bis ins Elbsandsteingebirge. Angekommen im kleinen Ort Wehlen, öffnete mir eine in weiten Leinenhosen gekleidete, barfüßige Frau die Tür. Namasté! Das von ihr veranstaltete Yogafestival sei soeben zu Ende, teilte sie mir freundlich lächelnd mit und mein Blick fiel dabei auf ihren riesigen, am Hals baumelnden Halbedelstein.
Ihr Anwesen steht direkt an der Elbe, einem sehr energiereichen Platz, wie ich später erfuhr. Das bestätigen auch die süßen Schlappohrschafe, die sich hier über die Wiese futtern. Ich lernte, dass Schafe einen guten Riecher haben was energiereiche Plätze anginge. Internet gibt es dort übrigens nicht. Wegen der Strahlungen. Dafür aber Reiki, Prana, Chi und Klangschalen – oder Malerei in ihrem schönen, üppig bewachsenem Garten. Harmonie und Ausgeglichenheit pur. Ich war also versorgt – nur falls es mit dem Wandern nicht klappen sollte.
Am nächsten Morgen erwarteten mich zum Frühstück energetisiertes-rechtsdrehendes-informiertes Wasser und frisch gepflückte Kräuter aus dem Garten, die mich für den ersten Tag stärken sollten*. Hausgemachte Marmelade, gesunde Brotaufstriche und kleine Wilderdbeeren rundeten das Positive-Balance-Fitness-Programm ab. Spätestens hier würde meine Hüfte also heilen.
* Liebe Frau H., sollten Sie das jemals lesen, bitte nehmen Sie es mit Humor, es war wirklich fantastisch bei Ihnen und ich komme gerne wieder!
Ankunft in Wehlen. Mit der kleinen Fähre geht’s erst mal rüber ans andere Elbufer.
Die Schwedenlöcher – EIN KLASSIKER
TESTWANDERUNG TAG 1
Nach dem Frühstück lief ich voller Energie meiner ersten Wanderung entgegen. Okay, zugegeben, glich mein Gang eher noch einem lahmenden Ackergaul. Für diesen ersten Tag hatte ich mir die beliebten Schwedenlöcher vorgenommen. Dort war ich vor einigen Jahren schon mal und fand es so beeindruckend, dass ich nun direkt noch mal hinwollte.
Die Tour beginnt mit einem stetig bergauf verlaufenden Weg aus Wehlen heraus. Die erste Herausforderung für die Rentnerhüfte also. Etwas morsch fühlte sie sich noch an… quietsch, quietsch. Die weiteren Kilometer geht es durch Wälder. Die Bastei ließ ich links – äh rechts liegen, war mir eh zu voll dort. Kurz vor dem Zugang zu den Schwedenlöchern fing es dann ordentlich an zu schütten… es regnete… regnete und regnete und so saß ich mit aaall den Wanderern, die eigentlich auf dem Weg zur Bastei waren, den Wolkenbruch in einer Schutzhütte aus.
Da die Schwedenlöcher überwiegend aus holzigen Treppen und bisschen glatt poliertem Sandstein bestehen, wurde die weitere Wanderung dann recht abenteuerlich. Ausrutschen hatte der Arzt verboten – der ist lustig. Getreu meinem Motto »Wenn ich schon mal hier bin…« schlidderte ich, mich immer an den Wanderstöcken festkrallend, durch die nassen, rutschigen Schwedenlöcher.
Sogar eine sächsische Rentnergruppe überholte mich:
»Was isd denn eigendlisch mid dem Rainer?«
»Na, der hadde doch mid seener Hüfde… eene OP vor seschs Wochen. Den haben wir zu Hause gelassn.«
»Ah, ja, das isd vernünfdig!«
Schluck.
Armer Rainer, dachte ich, durfte nicht mit und schlidderte weiter die nassen Holzstufen hinunter, meine Hüfte bereits im leichten Panikmodus.
Eingang zu den Schwedenlöchern
Die Schwedenlöcher sind selbst bei schlechtem Wetter ziemlich gut besucht, alleine ist man hier selten, aber dafür sind sie auch wirklich-wirklich schön. Ich war wieder mal total aus dem Häuschen und verbrachte direkt eineinhalb Stunden in diesem kleinen, grünen Urwald. Vor allem nach dem Regen duftete alles herrlich nach Tannen, Fichten, Moosen und wilden Kräutern. Die Farben leuchteten besonders intensiv und der in den Schluchten schwebende Dunst, machte die ganze Szenerie irgendwie mystisch. Ich liebe es dort einfach.
Weiter geht’s…
Oh hi!
#photobomber #wildtiernahbegegnung
Entlang des Amselgrunds, über Kurort Rathen und anschließend am Elbufer hinunter ging es dann zurück nach Wehlen. So hatte ich leichte 15 Km und etwa 280 Hm zurückgelegt. Meine Hüfte war zufrieden. Ich auch.
Ziemlich platt zurück in der Unterkunft zog ich die Vorhänge zu, holte ausnahmsweise meinen Laptop raus, schaute heimlich einige Folgen meiner aktuellen Lieblingsserie und hoffte, der Elektrosmog würde Frau H. nicht zu sehr auffallen. ;-)
Auf dem Pfaffenstein
TESTWANDERUNG TAG 2
Da der erste Tag ganz gut verlief, wollte ich heute etwas mehr auf den Putz hauen.
Nach dem energetisiertem Heilwasser am Morgen fühlte ich mich dann auch bereit dazu. Ich nahm die Fähre auf die andere Seite der Elbe und fuhr von dort mit der Bahn (Linie S1) bis zum Ort Königstein. Die Hälfte war somit geschafft. ;-)
Über den Pfaffenberg-Weg wanderte ich bis zum Fuße des Pfaffensteins. Schon von weitem kann man den weitläufigen 435 Meter hohen Tafelberg bestaunen. Dreht man sich um, steht da »plötzlich« die Festung Königstein, die nicht weniger imposant daherkommt.
Am Fuße des Pfaffensteins angekommen, wählte ich den abenteuerlicheren Weg übers »Nadelöhr«. Etwa 600 Stufen führen an der Nordseite auf das Plateau des Pfaffensteins. Wer es leichter mag, kann sich aber auch für den bequemen Aufstieg rechts entlang entscheiden. Allerdings ist das Nadelöhr besser für einen Aufstieg als den Abstieg geeignet.
Der Weg über die Stiegen und Stufen ist aber halb so wild, es gibt nur eine kurze Eisenleiter durch eine schmale Felsspalte – die durchs Nadelöhr. Sogar ich mit meiner lädierten Hüfte habe das geschafft. Rainer hätte das bestimmt auch.
Die ersten Schritte auf dem Pfaffenstein
Oben auf dem Pfaffenstein angekommen, bekommt man viel geboten. Wie ein Abenteuerspielplatz für Erwachsene (und Kinder natürlich). Ich hab gut drei Stunden dort verbracht – mit Kuchenpause. Es gibt sooo viel zu entdecken! Verschlungene Pfade, tiefe Schluchten, versteckte Höhlen, bizarre Felsen, beeindruckende Aussichten, märchenhafte Wälder und sogar einen Opferkessel. Besonders spannend fand ich die auf den Felsen wachsenden Kiefern und Birken, die sich ihren Weg durch die Risse und Spalten des Gesteins suchen. Schon manchmal irre wie hartnäckig die Natur ist.
Durch eine enge Felsspalte geht’s zur Barbarine
Über zahlreiche weitere Treppen und eine dunkle, enge Felsspalte erreicht man die Barbarine. Diese ist eine knapp 43 Meter hohe, freistehende Felsnadel und gilt als eines der Wahrzeichen der Sächsischen Schweiz. Einer Sage nach, soll es sich bei der Barbarine um eine versteinerte Jungfer handeln. Oh-ha. Die Arme.
Von dort geht es erst wieder ein Stück zurück, ehe man nach links in die Klamm abbiegt und über weitere Steinstufen zum Jäckelfelsen gelangt. Auf dem ausgeschilderten »Bequemen Weg« geht es von dort zurück zum Ausgangspunkt.
An diesem Tag habe ich wieder 15 Km und insgesamt etwa 500 Hm zurückgelegt. Läuft bei mir.
Rückweg über den „Bequemen Weg“, vorbei am Jäckelfelsen
NACH THÜRMSDORF und über den Rauenstein
TESTWANDERUNG TAG 3 – FINALE
Der dritte Tag begann mit starkem Regen. Energie für die Erde, freute sich meine Gastgeberin. Meine Wenigkeit beschloss, erst mal von Wehlen nach Thürmsdorf zu wandern. Dort solle es nämlich eine tolle Schokoladenmanufaktur mit Café geben! Energie für mich.
So latschte ich sechs Kilometer quer durch einen finsteren Wald, verlief mich etwa 80 mal, musste dann über ein Feld mit hüfthohem Getreide waten und kam mit pitschnasser Hose und pitschnassen Socken in dem Café an. Ich war bedient. Aber was tut man nicht alles für ein Heißgetränk und die beste Schokotarte die ich bisher in meinem Leben gegessen hatte.
Während ich also in dem Café saß, hörte es endlich auf zu regnen. Ein Blick auf meine Wanderkarte bewegte mich zu einer klitzekleinen Planänderung bezüglich meiner Rückreise: Die Rauensteine.
So kaufte ich schnell noch ein paar Schoko-Trüffel-Pralinen für den Weg, und wanderte dann entlang einiger Wiesen und Felder, immer mit Aussicht auf die Tafelberge der böhmischen Schweiz, passierte die Malerwegskapelle, lief entlang der Johann-Alexander-Thiele- Aussicht, durch das Dorf Weißig und fühlte mich auf diesem Abschnitt ein wenig wie damals, auf dem Jakobsweg. Der Hüfte schien es auch zu gefallen. Quietschte auch kaum noch und meine Laune stieg wieder.
Das wichtigste Bild ist klar das vom Schokokuchen
Ruckizucki war ich dann nach den typischen Stufen, Treppen und Podesten auch schon hoch oben auf dem Rauenstein. Dort angekommen, ging es nach kühler Schorle in der Gaststätte, auf den langgezogenen Kammweg, von dem aus man immer wieder fantastische Weitblicke über das Elbtal und Aussichten auf das Basteimassiv, auf den Mönchsstein und die Wehlener Steinbruchwände bestaunen kann.
Da scheinbar ganz Sachsen nach dem schlechten Wetter zu Hause blieb, hatte ich den Rauenstein für mich alleine. So alleine, dass ich zwischenzeitlich skeptisch wurde, ob ich mich nicht doch eventuell verlaufen hatte. Immerhin wurde so aber auch niemand Zeuge von meinen teils sehr unbeholfenen und umständlichen »Kletteraktionen«, weil die Angst dann doch noch zu groß war, dass ich die Hüfte mit wilden Bewegungen und Belastungen überstrapaziere. Iiirgendwie kam ich dann iiirgendwann auch wieder unten an – puh. Heute war ich ein wenig eskaliert…
… und komme auf 15,5 Km und etwa 550 Hm. Man bemerke die Steigerung der letzten Tage. ;-)
Aussicht vom Rauenstein
Stiegen, STUFEN, Treppen, Leitern UND NOCH MEHR STUFEN
….sind im Elbsandsteingebirge so präsent, dass ich ihnen hier einen Extraabschnitt widme. Die Sächsische und Böhmische Schweiz haben echt irre viel für ihre Besucher getan. Die zerklüftete Felsenlandschaft ist an vielen Stellen über Stiegen, Eisenleitern, enge Felstreppen, Stufen und Tretbügel zu begehen und die das Entdecken des Elbsandsteingebirges überhaupt erst möglich machen. Es gibt also eine Menge Wanderwege, die für Jedermann begehbar sind, ohne dass man direkt Klettererfahrung benötigt. Trittsicherheit und gutes Schuhwerk sollte man aber schon mitbringen. Auch Höhenangsthasen (so wie ich manchmal einer bin), kommen auf ihre Kosten, es gibt fast überall was zum festhalten wenn man über so einen Grat spaziert. Wer es extremer mag, dem stehen auch viele Klettersteige in der Umgebung zur Verfügung.
Trepp auf, Trepp ab
WANDERN IM ELBSANDSTEINGEBIRGE – FAZIT
Die Sächsische und die Böhmische Schweiz sind hervorragende Wandergebiete. Vor allem die Nähe zu meiner aktuellen Heimatstadt Berlin begeistert mich. Ich hab mir vorgenommen mal öfter dort hinzufahren, reizt mich das Gebiet doch mehr als die Brandenburger Wälder (ja sorry Brandenburg). Neben Highlights wie Bastei, Schrammsteine oder Schwedenlöcher, die gut bis sehr sehr gut besucht sind, gibt es auch ruhigere Ecken, wie den Rauenstein oder das kleine Prebischtor. Ich muss jedenfalls unbedingt noch mal ins Elbsandsteingebirge – es gibt noch so viel zu entdecken: Lilienstein, Papststein, Carola-Felsen, Wachberg und die Herkulessäulen – um nur einiges zu nennen.
Wer richtig viel vom Elbsandsteingebirge sehen möchte, wandert am besten den Malerweg. Dieser verläuft in acht Etappen quer durch die Sächsische und die Böhmische Schweiz und ist vollgepackt mit landschaftlichen Highlights. Auf dem Malerweg war ich auch schon mal wandern, aber darüber berichte ich ein anderes Mal.

TESTWANDERUNG – KLEINES FAZIT (für die, die es interessiert)
Fürs Erste bin ich ziemlich zufrieden, meine geheime Mission war also erfolgreich. Allerdings habe ich auch eingesehen, dass noch mehr Wanderungen folgen müssen um beurteilen zu können, ob aus dem Ackergaul wieder ein Rennpferd wird. Ich werde also noch Geduld haben müssen – und direkt mal wegen Flügen nach Kirgistan schauen. Mein Orthopäde wird begeistert sein.